Werbeanzeige1 vom April 2014 für eine
"Akademische Ausbildung"
Ein weiteres trauriges Kapitel der Demontage von Bildung als solcher

 .

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Die Werbegrafik zeigt ein wandfüllendes Bücherregel mit Aktenordnern. Das Bücherregal ist mit billigen Holzfurnier versehen und erinnert an die 1970er Jahre. Davor steht ein schlichter Bürosessel. In das Bücherregal ist ein Loch gerissen, durch welches ein dahinterliegender Raum sichtbar ist. Die Form des Lochs entspricht der Silhouette eines Menschen, vermutlich mit einem viereckigen Hut auf dem Kopf – ein Hut, wie er bei angelsächsischen Bildungs-Abschlußfeiern und der Überreichung von Zeugnissen an US-Colleges und Universitäten getragen wird.
Der dahinterliegende Raum ist im Gegensatz zum davor liegenden Arbeitszimmer mit den Aktenordnern sehr hell, die Sonne scheint hinein und aus den Panoramafenstern ist blauer Himmel und eine schöne bergige Landschaft erkennbar.

 

Der Text der Werbeanzeige lautet "Akademische Ausbildungen – Auf direktem Weg zum akademischen Abschluß". Unten findet sich zudem eine Liste von Kooperationspartnern, die vermutlich finanzierende Organisationen der Anzeige sind. Es handelt sich um verschiedene Fachhochschulen (Alpen-Adria Universität, Donau Universität, FH Wien, MOT, Stanfordshire University, Steinbeis University Berlin, TU Wien und Continuing Education Center).

 

Was sagt diese bedeutungsschwangere Anzeige aber nun aus? Zunächst fällt der Kontrast zwischen dem dunklen und wenig einladenden Arbeitszimmer im Vordergrund und dem freundlichen und hellen Raum hinter dem Bücherregal auf. Die Aussage ist wohl ganz einfach, daß der Aufenthalt im Aktenzimmer weniger anstrebenswert ist, als im schönen Raum dahinter. Das Loch mit Form eines Studenten mit Hut vermittelt hierbei den symbolischen Ausbruch des Menschen aus dieser negativ dargestellten Umgebung hinein in eine angenehmere Umgebung. Der Hut zeigt wieder einmal die Amerikanisierung und den mit ihr mitschwingenden Fokus auf Elitebildung an, denn im kontinentalen Europa gehört ein solches Kleidungsstück nicht zur gewachsenen akademischen Kultur.

 

Der Werbespruch "Auf direktem Weg zum akademischen Abschluß" in Kombination mit dieser Bildsprache soll offensichtlich aussagen, Studierende des Programms der "akademischen Ausbildung" würden befähigt, eine Abkürzung zu nehmen um direkt in einer Art Paradies zu landen. Grundtenor der Anzeige ist also: Das Studium und die Bildung sind negativ und wenig einladend, wohingegen das Arbeitsleben, dem man nach erfolgreicher Erlangung eines akademischen Grads entgegen gehe, sei wunderbar.
Diese Aussage ist mehr als zweifelhaft. Einerseits kann nachvollzogen werden, daß das Studium im Rahmen der Bachelor und Master Studiengänge, die im Zuge der Vernichtung persönlichkeitsorientierter und freiheitlicher Studiengänge (Magister, z.T. Diplom) entstanden, für viele Studierende wenig erbaulich ist. Auf der anderen Seite kann nur bedingt nachvollzogen werden, weshalb das dem Studium nachfolgende Arbeitsleben mit 40-Stunden-Wochen und Überstunden, wenig Freizeit und Freiheit als paradiesisch dargestellt wird. Natürlich ist es für einige Berufstätige möglich, Länder dieser Welt zu bereisen, viel Geld zu verdienen und – je nach Stufe der Karriereleiter – vielleicht auch in teuren Hotels und Restaurants mit Panoramafenstern und Alpenblick hin und wieder zu verweilen. Ob ein solches Leben mit dieser Art von Idealisierung standhalten kann, ist jedoch unwahrscheinlich.

 

Die Positionierung, welche die genannten Fachhochschulen mit diesem Programm einnehmen, ist eine zutiefst antikulturelle. Bildung wird hier in keinster Weise als etwas wichtiges dargestellt, das den Menschen neue Horizonte ermöglicht und im Sinne einer Persönlichkeitsbildung und Bewußtwerdung unersetzliche Dienste für eine gesunde Gesellschaft leistet. Bildung wird hier ausschließlich als Mittel zum Zweck dargestellt, einen gut bezahlten Job zu erhalten. Damit wird Bildung eiskalt dem Wirtschaftssystem untergeordnet. Das Wort "Ausbildung" im Zusammenhang mit dem Wort "akademisch" ist ein krasser Widerspruch, der jedoch nur im Lichte dieser Gesamtdarstellung vielen Zeitgenossen auffallen dürfte. Akademisch wird eigentlich assoziiert mit Reflektionsfähigkeit und der Fähigkeit, kreativ zu Einsichten und sinnvollen Lösungen zu gelangen, wohingegen eine Ausbildung primär den Zweck hat, Arbeitstechniken meistern zu können.

 

Die Werbeanzeige ist auch Reaktion auf eine traurige Entwicklung unserer Gesellschaft, die dazu geführt hat, daß Menschen von Arbeitgebern in vielen Fällen nur dann eine Chance gegeben wird, wenn sie formale Abschlußpapiere vorweisen können. Wenn man kein Interesse an echter Bildung hat, dann soll man also das System in gewisser Weise betrügen, indem man die Techniken der Akademiker in einer Ausbildung erlernt, ohne an tatsächlicher Bildung, die in die Tiefe geht und Dimensionen der intellektuellen Freiheit eröffnet, auch nur ansatzweise interessiert zu sein. Ein vollkommen absurdes Unterfangen, dann akademisch zu arbeiten, bedeutet eben nicht, wie es von einigen neoliberalen Lobbyisten und Technokraten geglaubt wird, Inhaltsverzeichnisse sauber zu strukturieren und ordnungsgemäße Fußnoten setzen zu können, sondern Sachverhalte auf eine differenzierte, kritische und relevante Art und Weise zu beleuchten um am Ende zu Lösungen für gesellschaftliche Probleme oder zu relevanten und neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Beispiel: Ein exemplarischer Student ist brillianter Anweisungen-Befolger. Er setzt alle Fußnoten stets lehrbuchkonform, hält sich an die vom Dozenten vorgegebene Schriftgröße und Seitenzahl bei schriftlichen Ausarbeitungen und wendet seine gesamte Freizeit auf, um Sachinformationen auswendigzulernen. Was dieser Student aber in Hausarbeiten, Referaten und Abeschlußarbeiten inhaltlich schreibt, ob das von ihm geschriebene auch tatsächliche gesellschaftliche Relevanz hat, ist ihm nicht so wichtig. Er möchte mit dem was er macht gut ankommen und gute Noten bekommen. Nebenbei besucht er von Zeit zu Zeit Jobmessen, um Kontakte zu Wirtschaftsleuten zu knüpfen und später schneller ein einem gut bezahlten Job unterzukommen. Nebenbei engagiert er sich in einer sozialen Einrichtung, damit er dies unter der Überschrift "Softskills" in seinen Lebenslauf schreiben kann.
Eine exemplarische Studentin besucht vor allem die Vorlesungen, die sie persönlich am allermeisten interessieren. Für Fußnoten, Inhaltsverzeichnisse und das Zitieren hält sie sich zum Teil an die Vorgaben und zum Teil modifiziert sie sie dort, wo es für sie logisch und nachvollziehbar erscheint. Sie nimmt sich auch mal ein halbes Semester Zeit, um eine bestimmte Hausarbeit besonders ausführlich zu bearbeiten, da ihr das Thema am Herzen liegt. Die Multiple-Choice-Tests, in denen Wissen abgefragt wird, versucht sie zu umgehen oder nur gerade so zu bestehen. Sie möchte jedoch ihr Studienfach möglichst ausführlich studieren und sich persönlich weiterentwickeln. Nebenbei versucht sie auch, in einer basisdemokratischen Organisation progressive gesellschaftliche Ziele zu verfolgen (sagen wir Umweltschutz).
Der erste der beiden dargestellten Studierenden wäre ein Top-Kandidat für eine "akademische Ausbildung". Die zweite beschriebene Studentin ist der Alptraum neoliberaler Bildungspolitiker. Menschen wie sie sollen mit den Hochschulreformen rund um "Bologna", die Umwandlung der Universitäten in Fachhochschulen und Programme wie die "akademische Ausbildung" gezwungen werden, wie der Erstbeschriebene Student zu arbeiten.

 

Fazit: Fachhochschulen sind bereits seit ihrem Entstehen in den 1970er Jahren für ihren technokratischen Fokus bekannt. Schon immer waren dort Studiengänge sehr verschult und wenig freiheitlich. Mit dieser Werbeanzeige und dem Programm für die "akademische Ausbildung" versucht man aber nun offenbar, in eine neue Dimension der Bildungs-Materialisierung und jeglichem Entzug von Kultur und Weltgeist vorzudringen. Für eine Gesellschaft aus reibungslos funktionierenden Zombies und in Opposition zu einer Gesellschaft aus freien, reflektierten Menschen mit Persönlichkeit und Charakter.



1 Quelle: Kostenlose österreichische Flughafenzeitung mit dem Fokus auf Wirtschaft "SUCCEED" - Ausgabe 2 (2014).


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