Nicht geschimpft ist Lob genug"
"Plädoyer für Härte im Job"
Roland Springer hat ein Buch mit Empfehlungen für Arbeitgeber geschrieben. Der Autor unterbreitet in dieser Schrift konkrete Vorschläge, wie mit Mitarbeitern und Untergebenen in Firmenhierarchien umzugehen ist. Das „Manager-Magazin“ und „Spiegel Online“ bieten Herrn Springer mit diesem Interview ein Podium, um seine Ideen weiter zu erläutern und Werbung für sein Buch zu machen.
Strengste Disziplin: Sollte ein Chef immer nur freundlich mit den Mitarbeitern sprechen? – Disziplin und Kontrolle statt Eigenverantwortung und netter Worte: Nur so kann eine Firma im Wettbewerb bestehen, glaubt Sachbuchautor Roland Springer. Im Interview mit dem Manager-Magazin erklärt er, warum Chefs ihre Mitarbeiter streng erziehen sollten - und warum liberale Führungsmodelle gescheitert seien.
Manager-Magazin: Herr Springer, warum muss man Erwachsene noch erziehen?
Springer: Weil wir uns in der Wirtschaft auf verschärften Wettbewerb einstellen müssen. Die Anforderungen werden immer komplexer, die Konkurrenz immer kostengünstiger. Unternehmen brauchen effiziente und fehlerlose Prozesse, wenn sie da mithalten wollen. Und wenn an diesen Prozessen Menschen beteiligt sind, dann ändert man nur mit Disziplin etwas.
Die Mitarbeiter müssen genau definierte Standards einhalten: welches Auftragsformular wie auszufüllen ist, welche Information wann weitergegeben werden muss. So vermeidet man Fehler, die zu Zeitverlust und höheren Kosten führen.
Die Forderung, die bei der Nennung des Wettbewerbsargumentes mitschwingt, ist die, daß westliche Unternehmen und ihre Mitarbeiter in eine Art Unterbietungswettbewerb mit autoritär gelenkten und vermeintlich effektiveren Volkswirtschaften um schlechte Arbeitsbedingungen eintreten müßten. Die Einforderung „fehlerloser Prozesse“ menschlicher Arbeit weist zudem auf ein hochgradig technokratisches Verständnis vom Menschen hin. Auf Grundlage dieses Grundverständnisses leitet Herr Springer die konkreten Forderungen ab, Arbeitnehmern müßten jegliche Ermessensspielräume und jede Freiheit der individuellen Entscheidung genommen werden.
Manager-Magazin: Aber muss man gleich von Erziehen sprechen?
Springer: Wenn sich die Mitarbeiter falsche Verhaltensweisen angewöhnt haben, dann muss man sie umerziehen. Das gehört zum lebenslangen Lernen dazu, ob es einem gefällt oder nicht.
Manager-Magazin: Klingt autoritär...
Springer: Autoritär war die Führungskultur in den sechziger Jahren. Dahin will ich nicht zurück. Früher bekam man Vorgaben und hatte danach zu arbeiten. Heute müssen die Regeln mit den Mitarbeitern zusammen entwickelt werden. Denn nur die haben ja im Detail das Wissen, wie die Prozesse funktionieren. Das liberale Führungsmodell, das in den letzten 20, 30 Jahren galt – laufen lassen und hoffen, dass der Mitarbeiter aufblüht – das funktioniert in der heutigen Wirtschaftswelt nicht mehr.
Der Begriff „heutige Wirtschaftswelt“ ist als Totschlagargument zu werten. Mit diesem Argument wird nichts wirklich begründet, sondern lediglich eine wage Behauptung dahingehend aufgestellt, es herrsche heutzutage mehr Wettbewerb und daher könne man sich eine im freiheitlichen Sinne arbeitnehmergerechte Arbeitswelt nicht mehr erlauben. Die Aussage, man müsse oder könne volljährige Angestellte erziehen, erscheint aus psychologisch-pädagogischer Sicht wenig überzeugend. Auch wenn eine gewisse Konditionierung kurzfristig sicherlich durch Gehaltsanreize, psychischen Druck oder andere Methoden erreicht werden kann, ist stark zu bezweifeln, daß Verhalten und Mentalität von Mitarbeitern durch autoritäres Vorgehen der Vorgesetzten grundlegend positiv verändert werden kann. Die extreme Steigerung von Burnout-Erkrankungen in der BRD2 ist klares Indiz dafür, daß eben jene Erhöhung des Druckes auf Arbeitnehmer nicht zum gewünschten Ergebnis der Effizienzsteigerung führt. Die autoritäre, zum Teil despotische Mitarbeiterdrangsalierung die Springer vorschlägt, würde jene Negativentwicklung nur noch weiter verstärken.
Manager-Magazin: Also müssen die Mitarbeiter an die kurze Leine?
Springer: Es geht darum, Standards zu trainieren und auf ihre Einhaltung zu achten. Jogi Löw macht die ganze Zeit nichts anderes. Damit sein Fußballteam unplanbare Prozesse beherrschen kann, schaut er sich jeden einzelnen Spieler an: Spielt der die Freistöße oder die Flanke so, wie er sie spielen soll? Das akribische, fehlerfreie Arbeiten muss sitzen.
Manager-Magazin: Und wie bringt man es den Mitarbeitern bei, die Standards einzuhalten?
Springer: Indem man Grundsätze formuliert und beispielsweise systematisch auf Ordnung und Sauberkeit hinweist. Und indem man immer wieder deutlich macht, daß die Einhaltung dieser Standards der Geschäftsführung sehr wichtig ist. Leider ist es vielen Führungskräften unangenehm, hinter ihren Mitarbeitern her zu sein. Das lernen die in ihrer Ausbildung auch nicht. In den Curricula von Führungskräfteschulungen in Deutschland werden Sie nicht einmal das Wort „Disziplin“ finden.
Manager-Magazin: Würden Sie behaupten, den Mitarbeitern gefalle Disziplin?
Springer: Wenn erst einmal die Probleme auf den Tisch kommen und dann Regeln für den Umgang damit entwickelt werden - dann sind viele regelrecht begeistert. Denn sie haben ja zuvor immer die Probleme ausbaden müssen. Viele Mitarbeiter ärgern sich jeden Tag, wenn die Dinge nicht funktionieren.
Ich habe noch nie erlebt, dass größere Teile der Belegschaft sich gegen mehr Disziplin stellen. Dass eine verschärfte Kontrolle zu Problemen führt, das kann natürlich passieren. Aber Fußballtrainer werden ja auch nicht immer nur freundlich mit ihren Mitarbeitern sprechen. Da geht es auch mal richtig zur Sache.
Manager-Magazin: Vertrauen ist also von gestern und Kontrolle besser?
Springer: Unter den heutigen Bedingungen: ja. Ich bin felsenfest davon überzeugt: In den Investmentbanken weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut. Auch das ist ein Grund für die Finanzkrise. Die haben nicht nur die Produkte nicht mehr verstanden, sondern auch die Prozesse. Natürlich muss eine Führungskraft auch selbst Disziplin an den Tag legen und nicht nur kontrollieren. Eine Führungskraft, deren Büro ein Sauladen ist, muss nicht anfangen, von Ordnung und Sauberkeit zu reden.
Die Behauptung, Verschärfungen der Kontrolle und Disziplinierungsmaßnahmen in Unternehmen stießen nie auf Widerstand, ist absurd. Mag sein, daß dort wo Springer arbeitet, die Mitarbeiter so viel Angst oder fehlendes Selbstbewußtsein haben, daß sich kein Widerstand formiert. Auch der Vergleich zum Fußball ist abwegig. Ein Trainer muß fair und freundlich sein. Motivation statt Druck führt zum Erfolg, nicht die hier nahegelegte „nordkoreanische Variante“ von Motivation durch Druck. Das exakte Vorschreiben jedes kleinen Arbeitsschrittes wird lediglich zu Widerstand führen, denn nach berechtigtem allgemeinem westlichen Verständnis sollte das Subsidiaritätsprinzip auch am Arbeitsplatz gelten.
Die Ideen Springers werden unweigerlich zu unmotivierten Mitarbeitern führen, die ihre Firma hassen oder sich in die unproduktive Resignation flüchten. Genau das führt aber zu höheren Kosten. Ganz zu schweigen von der Grausamkeit eines solchen Arbeitsplatzes für die Mitarbeiter. Eigenständiges Denken und Arbeiten können nur aus einer selbstbestimmten Beschäftigung mit Inhalten erwachsen. Auch Kreativität und neue Ideen entstehen vor allem in einem Milieu von Freiheit und individueller Spielräume.
Kontrolle und totale Mitarbeiterüberwachung sind aus gutem Grund hierzulande in Unternehmen verboten. Diese Grund- und Menschenrechte will Springer mit seinem Buch und seinen Forderungen gezielt untergraben. Die in diesem Interview offenbarten Meinungen sind derart radikal formuliert, daß sie vermutlich sogar den meisten Neoliberalen zu weit gehen dürften. In der Radikalität der Arbeitgeberinteressenvertretung und dem allgemeinen Trend zur Mitarbeiterüberwachung dürften Neoliberale diese Ansätze aber im Grundsatz wohl begrüßen. Selten kommt neoliberale Ideologie so unverblümt und undifferenziert zur Sprache. Ganz so als hätte es weder Aufklärung noch 68er-Bewegung oder Reformpädagogik gegeben, werden hier reaktionäre Methoden verbal reaktiviert, deren Verschwinden bisher nur den Wenigsten als Verlust aufgefallen war. Daß ein starres Befolgen vorgegebener Regeln positive Ergebnisse hervorbringen kann, das glaubte man vielleicht in den 1960er Jahren. Der Vorschlag, den Rückwärtsgang einzulegen und mit Vollgas in eine inhumane Vergangenheit aufzubrechen, dient weder Mensch noch Gesellschaft.
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