DLF / CAMPUS & KARRIERE / Gabor Paal /18.11.2010
Eine Frage der Moral -
Business Schools und die Lehre aus der Krise

 

Denkt man an die Weltwirtschaftskrise, denkt man automatisch auch an dubiose Managergeschäfte bei Banken und Großkonzernen. Geldgierige Manager hätten keine Moral, heißt es dann oft. Die Krise wirft somit auch einen Schatten auf die meist privaten Business Schools, die Kaderschmieden der Wirtschaft.
"Also ich glaube, es wäre absolut falsch zu behaupten, dass die Business Schools bei diesem Fiasko keinen Beitrag geleistet haben. Sie sind sicher ein Teil der Krise, auf der anderen Seite gibt's da schon einen großen Umdenkprozess." Prof. Christopher Jahns, Präsident der European Business School in Wiesbaden und Oestrich-Winkel gibt sich selbstkritisch. Schließlich sind viele derer, die für die Finanzkrise verantwortlich waren, an einer der zumeist privaten Kaderschmieden ausgebildet worden. Katharina Wagner wiederum ist noch keine Managerin. Aber sie will eine werden.

"Es kann keiner bestreiten, dass da Habgierigkeit und Gier dahinter gesteckt hat, nur ich glaube nicht, dass Business Schools diese Werte anerziehen, sondern Personen diese Werte für sich entscheiden. "

Katharina Wagner studiert an er WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar bei Koblenz und macht nächstes Jahr ihren Master of Business Administration. Für die Ausbildung bezahlt sie über 30.000 Euro im Jahr. Einen Teil dafür bringt sie aus ihrem Ersparten auf, den Rest finanziert sie über einen Kredit.
"Sicherlich hoffe ich mich etwas zu verbessern zu dem Gehalt, was ich davor hatte, aber das wird kein Hauptkriterium sein, nur Profit zu maximieren, sondern es geht darum, seine Ideen umzusetzen und seinen Wünschen zu folgen und auch Verantwortung zu übernehmen und ein "ehrbarer Kaufmann" zu sein."

 

Die hier zur Sprache kommende Frau Wagner hat die Argumente neoliberaler BildungspolitierInnen verinnerlicht: Sie sieht das Studium als Investition in ihr Humankapital - mit dem Ziel, anschließend einen Beruf mit einem höheren Gehalt ergreifen zu können. Sie bezahlt hierfür jährlich 30.000 Euro. Damit zählt sie zu einer kleinen "Elite", die sich so etwas leisten kann und will. Es spiegelt sich in dem hier dargestellten privatisierten Universitätssystem zum einen die allgemeine Ökonomisierung wider und zum anderen eine gesellschaftliche Hierarchisierung: nur diejenigen, die bereits Geld haben, können auch in Berufen arbeiten, in denen "Spitzengehälter" gezahlt werden. Die Menschen der finanziellen Oberschicht erhalten sich so geschützte Gesellschaftsbereiche mit überhöhten Gehältern für ihresgleichen.

Das teilweise Eingeständnis der sogenannten "Business Schools", eine Mitschuld an der Krise zu haben, scheint wenig überzeugend. Schließlich ist ein privatisiertes Bildungssystem Produkt einer Ideologie, die alle öffentlichen Dienstleistungen und Aktivitäten der Gesellschaft in ökonomische und handelbare Güter umwandeln will. Ebenso wie Hedgefondsmanager und Bankiers, die mit öffentlichen Gütern handeln, die eigentlich niemandem gehören dürften (z.B. mit Patenten für Gene von Lebewesen, die öffentliche Wasserversorgung oder die Bildung der Bevölkerung).

 

Doch wie bekommt man Moral und Verantwortungsbewusstsein in die Köpfe der angehenden Manager? Ein Weg ist, soziales Engagement einzufordern. Immer mehr Business schools sehen heute gerne, wenn sich ihre Studenten sozial engagieren. Katharina Wagner etwa hat ein eigenes kleines Projekt für Straßenkinder in Mexiko, aber auch ihre Mitstudentin sind aktiv.
"Das sind einfache kleine Beispiele wie zum Beispiel Nachhilfe für Migrantenkinder in Koblenz und Umgebung oder größere Aktionen, wo Spendengelder gesammelt werden und nach Afghanistan in ein Krankenhaus gespendet werden."

 

Soziales Engagement einzufordern ist keine echte Strategie, sondern lediglich ein oberflächlicher Versuch, elitären Bildungsegoisten Anstand und soziales Verständnis beizupulen.
Zu viele Studierende schaffen sich neben dem Studium sogenannte Soft-Skills an, ohne in irgendeiner Weise davon überzeugt zu sein, wofür sie sich "einsetzen". Das Engagement in sozialen Vereinen, Umweltorganisationen oder anderweitig als gemeinnützig anerkannten Institutionen wird dann lediglich als Pflicht auf dem "Weg nach oben" durchgeführt
. Zwar kann ein solches Engagement helfen, ein Problembewußtsein zum Beispiel für Ungerechtigkeiten zu schärfen, nutzt in diesem Sinne aber nur dann wirklich etwas, wenn es von Diskursen und dem Verständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge flankiert wird.

 

Während diese Aktivitäten an der WHU in Vallendar noch freiwillig sind, hat sich die European Business School dafür entschieden, dass sich Studierenden ihr soziales Engagement anrechnen lassen können, damit sie vor lauter Studium überhaupt Zeit dafür finden.
"Uns hat es - ich sag es mal wirklich - angekotzt, dass es von Beginn an immer so ist, dass ein Nachlaufen nach Credit Points geschehen muss und die Studenten da auch viel zu gestresst sind, deswegen haben wir ein Programm aufgebaut, wo wir den Studenten in Form von Credit Points Zeit geben, im Rahmen ihres Studiums was gänzlich anderes zu tun, und wir wollen das auch nicht genau wissen, was, es soll mit der Gesellschaft zu tun haben."

Soziales Engagement schön und gut, doch damit würden die künftigen Manager nicht zu verantwortungsvolleren Entscheidern, meint dagegen der Wirtschaftsethiker Josef Wieland aus Konstanz.  " Wie kriegen wir den Faktor Ethik in die Kernprozesse des Geschäfts rein, denn da wird ja die Sache entschieden, und ich glaube, eine ganz wesentliche Idee, die man dabei fallen lassen muss, ist, dass das Erzielen von Gewinn und das moralische Verhalten ein Widerspruch sind, weil wenn Moral immer nur als Abzug vom Einkommen, als Blockade von Geschäft daher kommt, dann hat das keine Chance."

 

An der WHU kann man also nun einen Schein für soziales Engagement machen. Anstatt das Studium gleich so zu gestalten, daß Freiräume für politische- oder andere gesellschaftsrelevante Aktivitäten bleibt, wird das Studium verschult und formalisiert und die "Soft-Skills" werden als Fach mit ins Studium gepackt. Diese Strategie ist Unsinn, da sie unnötig institutionalisiert und bürokratisiert. Zudem kann die Hochschule so die Deutungshoheit darüber gewinnen, was "Credit-Point-würdig" und was nicht. Je nach Auslegung und politischer Schwerpunktsetzung der Hochschule, kann sie dann Beispiel willkürlich festlegen, welche politischen Projekte ihr gefallen und wofür Studierende keine Punkte bekommen.
Der zitierte Herr Wieland aus Konstanz pervertiert das Konzept der Softskill-Moral noch ein wenig, in dem er sagt, mit ethischem Handeln könne man auch ökonomisch erfolgreich sein. Er hat zwar in gewisser Weise Recht, daß z.B. ein Unternehmen, das Windkraftanlagen herstellt, derzeit besser aufgestellt ist als eines, das Atomkraftwerke herstellt. Jedoch materialisiert er mit dieser Aussage "die Ethik". Ethisches Denken und Handeln darf aber nicht materiell gesehen werden, sondern muß als Grundvoraussetzung von jedem einzelnen Menschen und jedem Unternehmen bedingungslos eingefordert werden. Nur weil man durch "Gutes tun" Geld verdienen kann, soll dies nicht die Motivation sein.

 

Christopher Jahns betont, er habe an der European Business School schon vor der Krise damit angefangen, in der Managerausbildung auch die ethischen Fragen zu thematisieren. So lehren in Wiesbaden nicht nur Ökonomen, sondern auch Philosophen. Von eigenen Ethik-Seminaren hält Jahns allerdings nichts.
"Ja, das halte ich für sehr schlecht, weil eine Vorlesung für Unternehmensethik, das ist, irgendwie so, da geh ich hin wie in die Kirche am Sonntag. Was man tun muss ist, dass man die ethischen Themen, die wissenschaftstheoretischen Themen, die Themen der Philosophie in das gesamte Currriculum einpflegt. Also der Finance-Professor redet über finanzielle Restrukturierung von Unternehmen, und der Praktische-Philosophie-Professor ist mit im Klassenzimmer und dann werden Fälle besprochen." Fälle, in denen es Zielkonflikte gibt. Etwa zwischen Gewinnerwartungen der Aktionäre und der Verantwortung für die Mitarbeiter.

 

Da hat her Jahns Recht! Wenn die Ethik nur ein nerviges Zusatzfach ist, dann gibt es auch keine größeren Auswirkungen auf das Denken und Handeln der Studierenden. Der Vorschlag, kritische und fachübergreifende Diskussionen in alle Lehrveranstaltungen einzubauen, ist sehr gut. Nur durch ein Infragestellen und eine Diskussion über Wirtschaftsprozesse, kann das (leider sehr fehlerhafte) derzeitige Wirtschaftssystem zu einem System "für die Menschen" weiterentwickelt werden.

 

  Auch Katharina Jahns musste in ihren Kursen an der WHU schon solche Situationen durchspielen, in denen eine Firma einerseits ihre Produktion umweltgerecht machen sollte, andererseits im Preis-Wettbewerb mit anderen Firmen stand. Solche Übungen könnten Managern helfen, ihr inneres moralisches Geländer zu festigen, sodass vielleicht jetzt nach der "Generation Bonus" nun doch eine neue Managergeneration heranwächst.
"Ich bin davon überzeugt, dass ich das anders machen werde als diese Menschen, und einfach nach dem handeln werde, was ich verinnerlicht habe und den Werten, die ich für richtig halte."

 

Was Frau Jahns hier sagt, klingt ganz gut und läßt hoffen. Es bleibt aber abzuwarten, ob diese Aussage nur ein leeres Versprechen ist.
Grund zum Zweifel läßt vor allem die Aussage aus dem Mund einer Studentin, die sich bewußt für ein sehr teures Studium entschieden hat, um sich wie oben argumentiert, ein sattes Gehalt in der Zukunft zu erwirtschaften.

Wir meinen:
Immerhin denken die hier dargestellten privaten Universitäten selbstkritisch darüber nach, welchen Anteil sie an den katastrophalen Zuständen in unserem geliebten Turbokapitalismus haben. Leider sind sie selber Teil dieses pervertierten Wirtschaftssystems und entspringen einer zutiefst elitären und sozial ignoranten Ideologie. Wirkliche Revolutionen sind von dieser Seite also nicht zu erwarten, eher kleine Schönheitskorrekturen um das bestehende System zu den eigenen Gunsten zu retten.

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