Wie sich sogar banale Unterhaltungsformate harmonisch in eine neoliberale Gesellschaft einfügen
Poetry Slam (deutsch: Dichterwettstreit) ist ein literarischer Vortragswettbewerb, in dem selbstgeschriebene Texte innerhalb einer bestimmten Zeit einem Publikum vorgetragen werden. Bewertet werden sowohl der Inhalt der Texte als auch die Art des Vortrags.
Wettbewerb
Im Gegensatz zu einem Open Mic oder den Lesebühnen stehen die einzelnen Teilnehmer bei einem Slam untereinander im Wettbewerb. Dieser Wettbewerbsaspekt dient vor allem dazu, das Publikum zum Mitfiebern und Mitwerten einzuladen, da das Publikum auch den Sieger kürt.
Ebenfalls ist der Wettbewerb ein effektives Mittel für die Dichter, unmittelbares Feedback von einem interessierten Publikum zu erhalten, und soll als Ansporn für die Arbeit an den eigenen Texten und am Textvortrag, nicht aber als Grund für ernsthafte Rivalitäten genommen werden. […]
In Deutschland reicht die Tradition des Dichterwettstreits bis ins Mittelalter zurück. Am bekanntesten ist hier der Sängerkrieg auf der Wartburg im 13. Jahrhundert. […]
Anders als im Ursprungsland gab es bei den jährlichen Meisterschaften des deutschen Sprachraumes zwei getrennte Disziplinen. Neben dem Einzelwettbewerb traten im Gruppenwettbewerb Teams von zwei bis fünf Dichtern an und trugen gemeinsam geschriebene Texte mehrstimmig vor.
Slam heute
Das Veranstaltungsformat Poetry Slam hat sich seit seiner Entstehung vor allem in Nordamerika und Europa ausgebreitet. Die Zahl der Veranstaltungsorte steigt weiterhin stark an. Auch in anderen europäischen Ländern finden regelmäßig Poetry Slams statt. In Singapur und in Ubud auf Bali finden die einzigen bisher bekannten Slams Asiens statt. In Afrika gibt es in Gabun einen regelmäßigen Slam und auch in Neuseeland und Australien etabliert sich zunehmend eine Slamszene.
Im Jahr 2004 wurden erste Versuche von Slamweltmeisterschaften gemacht. [...] Sowohl die sehr hohen Kosten, die mit der Anreise der Teilnehmer aus den verschiedenen Ländern entstehen, als auch die Sprachbarrieren machen ein solches Unterfangen jedoch zu einem Projekt, das seinem Anspruch kaum gerecht werden kann.
Die Art und Weise, mit welcher der Autor der Internetseite die geographische Ausbreitung jener „Bewegung“ formuliert, zeigt, daß auch der Wettbewerb gezielt internationalisiert werden soll. Die neoliberale Mode der Globalisierung (ökonomischen) Wettbewerbs, sickert also hier in den Lebensbereich der Freizeitunterhaltung. Man möchte sich nicht mehr damit begnügen, „nationaler Champion“ zu sein, sondern möchte sich „Weltbester“ nennen können.
Hier sind eindeutige Parallelen zur expansionswütigen Großunternehmen und den allgemeinen Zielsetzungen neoliberaler Bildungspolitiker zu erkennen, die allesamt Wettbewerb globalisieren wollen und von Großmachtphantasien getrieben scheinen (Stichworte „Weltmarktführer“, „Wettbewerb der Wissenschaftsstandorte“, „internationale Spitzenforschung“ usw.).
1 Quelle der Zitate: Myslam.net | www.myslam.net/de/pages/what-is-poetry-slam (Zugriff: 10/2012).
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