INSM geht auf Neoliberalismuskritik ein
"Initiative Neue soziale Marktwirtschaft" nicht neoliberal?
Kommentar eines Textes von www.insm.de

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Oft taucht in der tagespolitischen Diskussion der Begriff "Neoliberalismus" auf, meist mit der Absicht, Wirtschafts- und Reformpolitik mit dem Etikett "neoliberal" zu versehen und damit zu diskreditieren. Was heißt "Neoliberalismus", wer ist ihr geistiger Urheber, wie verwenden Kritiker diesen Begriff - offene Fragen, die eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des Neoliberalismus notwendig machen.

Nach Darstellung von Wilhelm Röpke (1955) wurde der Begriff des Neoliberalismus im August 1938 auf einer Konferenz in Paris - auch bekannt unter dem so genannten "Colloque Walter Lippmann" - geprägt. Unter den Teilnehmern befanden sich unter anderem Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke, die stellvertretend für den Ordoliberalismus der Freiburger Schule (Soziale Marktwirtschaft) standen sowie Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises, die die klassisch liberale Österreichische Schule vertraten.

Der Begriff "Neo"-Liberalismus wurde gewählt, um sich bewusst gegenüber dem alten "Laissez-faire-Liberalismus" abzusetzen, der ein uneingeschränktes Spiel der Marktkräfte ohne regulierendes Eingreifen des Staates zur Sicherstellung funktionierender Märkte postulierte. Im Kern ging es um eine "Erneuerung" (Rüstow) und um eine "Revision" (Röpke) des in die Kritik geratenen historischen Wirtschafts- bzw. Laissez-faire-Liberalismus.

 

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Nicht einmal die Initiative "neue soziale Marktwirtschaft" wird gerne als neoliberal bezeichnet. Um zu deuten, welche inhaltlichen Dimensionen der Begriff Neoliberalismus nun hat, bezieht man sich ganz einfach auf einen Ökonomen, der vor fast 60 Jahren den Begriff definiert hat. Als Ökonom hat Röpke den Begriff natürlich ökonomisch gemeint. Das heißt aber nicht, daß die Bedeutung heute nicht eine ganz andere sein kann.

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Röpke beschreibt die neue liberale Bewegung wie folgt: "Hier springt zunächst in die Augen die den meisten Neuformulierungen des Liberalismus gemeinsame Tendenz, zwei Dinge miteinander zu vereinen: das Vertrauen auf die Freiheit der Märkte und die Einsicht, dass diese Freiheit einer umfassenden Politik bedarf, die das Feld der wirtschaftlichen Freiheit wie ein Spielfeld streng absteckt, ihre Bedingungen - sozusagen die Spielregeln - sorgfältig bestimmt und mit unparteiischer Strenge für die Respektierung dieses Rahmens der Marktwirtschaft (des Spielfeldes wie der Spielregeln) sorgt" (Röpke 1950/79, 142).

Nach Röpkes Definition bilde sich eine funktionsfähige marktwirtschaftliche Ordnung nicht von selbst heraus. Es bedürfe vielmehr einer Rahmen setzenden Politik, der Ordnungspolitik. Diese müsse sicherstellen, dass die Unternehmen um die Gunst der Konsumenten konkurrierten, statt ihre Kräfte auf andere Aktivitäten wie etwa die Behinderung der Konkurrenz oder die Einflussnahme auf die Politik zu konzentrieren. Dieser Sachverhalt spiegelt sich zudem wider in der Forderung nach einer "Politik der Wettbewerbsordnung" mit ihrem Leitbild des "Leistungswettbewerbs", wie sie später im Mittelpunkt der Arbeiten des Ordoliberalismus der Freiburger Schule Euckens und Böhms steht.

Von Beginn an war der Neoliberalismus-Begriff umstritten, so dass Röpke die Festlegung auf diesen Begriff selbst als "das am wenigsten glückliche Ergebnis der Pariser Konferenz" ansah, der nicht adäquat wiedergebe, was den "neuen" Liberalismus ausmache. Bereits die Heterogenität der Tagungsteilnehmer trug nicht unerheblich zur Begriffskonfusion bei, denn der Begriff Neoliberalismus vereint verschiedene, miteinander nicht vereinbare Konzeptionen. Hier befindet sich bereits die Wurzel des Widerspruchs, der Befürworter und Kritiker heute noch bei der Definition und Deutung des Begriffes Neoliberalismus trennt.

 

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Wie hier erwähnt, ist der eigentliche Begriff für eine freie Wirtschaft, die durch staatliche Politik im Zaum gehalten wird, Ordoliberalismus und nicht Neoliberalismus.
Was nicht erwähnt wird ist, daß 'Neoliberalimus' inzwischen eine sehr viel weitreichendere Bedeutung hat und sich im allgemeinen Verständnis lange nicht mehr nur auf den Gesellschaftsbereich der 'Wirtschaft' beschränkt.

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Bereits in der Vergangenheit wurde der Begriff Liberalismus immer wieder für politische Machtkämpfe missbraucht. Selbst Walter Eucken, der damals nicht in Paris am "Colloque Lippmann" teilgenommen hatte (Andreas Renner, Jenseits von Kommunitarismus und Neoliberalismus, 2002, S. 41) - wie heute fälschlicherweise selbst bei wikipedia.de zu lesen ist -, benutzte bewusst nicht den strittigen Neoliberalismus-Begriff. Vielmehr sei die Verwendung dieses Begriffes überhaupt "oft tendenziös und nicht zutreffend" (Eucken 1952/90, 374).

Der Streit und die Auseinandersetzung um den Neoliberalismus-Begriff und seiner theoretischen Auslegung zwischen den deutschen Liberalen um Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow auf der einen Seite und den Vertretern der Österreichischen Schule um Ludwig von Mises und - zumindest noch in den späten zwanziger Jahren - Friedrich August von Hayek auf der anderen Seite spitzte sich in den vierziger Jahren noch weiter zu. So berichtet Röpke (1960-61, 10f) über einen Disput zwischen Walter Eucken und Ludwig von Mises auf der 1949er Tagung der Mont-Pèlerin-Society, bei der es sich nach Vermutung Vanbergs (1999, 219f) um die Frage gehandelt haben könnte, ob Märkte einer bewusst durch die Politik gestalteten Rahmenordnung bedürfen (Eucken) oder nicht (Mises).

Wie wird der Begriff des Neoliberalismus heute, ein halbes Jahrhundert später, insbesondere von den linken Globalisierungsgegner und Kritiker verwendet? Bei Ralf Ptak im "ABC der Globalisierung" (2004) heißt es: "Im Kern ist der Neoliberalismus eine modernisierte und radikalisierte Variante des klassischen Wirtschaftsliberalismus. (?). Es definiert die Marktgesellschaft als zivilisatorischen Endpunkt menschlicher Geschichte und zielt fundamental auf eine 'Entthronung der Politik' (Hayek) - eine Aufgabe, die kein Ende kennt, gewissermaßen ein Zustand der permanenten 'Reform'. (?). Neoliberalismus bedeutet in der Praxis Destruktion des Gesellschaftlichen. Für die dabei entstehenden Ungleichheiten, Verwerfungen und Spannungen hat er außer der Option autoritärer Innen- und Außenpolitik kein taugliches Konzept".

 

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Wir schließen uns hier Ralf Ptaks und Hayeks kritischer Sichtweise bezüglich des Neoliberalismus an.

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Schon allein die Gegenüberstellung der Definition aus dem Gabler Wirtschaftslexikon (16. Auflage, 2004) zeigt sehr deutlich, wie weit das Spektrum, wofür Neoliberalismus steht, inzwischen reicht: "Im Rahmen des Neoliberalismus hat der Staat die Aufgabe, eine bestimmte moralische und wirtschaftspolitische Ordnung zu schaffen. Jedoch soll die Staatstätigkeit auf ein Mindestmaß reduziert bleiben. Dies Maß besteht in der Gewährleistung von Chancengleichheit, Schutz des Individuums, der Verhinderung von Diskriminierung und Sicherstellung der notwendigen Rahmenbedingungen eines freien Marktes. Zu diesen Aufgaben zählt auch die Schaffung und Aufrechterhaltung eines fairen Wettbewerbs."

Wenn wir zum Ursprung der Begriffes Neoliberalismus zurückkehren wie ihn die Ordoliberalen der Freiburger Schule Walter Eucken, Wilhem Röpke und Alexander Rüstow definierten und verwendeten, kann mitnichten wie von Ptak geschrieben der Neoliberalismus "als zivilisatorischen Endpunkt menschlicher Geschichte" oder gar "Destruktion des Gesellschaftlichen" bezeichnet werden. Vielmehr dient diese ideologische und einseitig gefärbte Definition zum Aufladen des Begriffes mit eigener Deutungshoheit, um sich für die politisch motivierte und oft emotional geführte öffentliche Diskussion zu wappnen. Das führt im Ergebnis wie leider oft zu lesen, zu hören oder zu sehen ist, zu der pauschalen Etikettierung "neoliberal", ganz gleich, ob es sich dabei um das "Schröder-Blair-Papier", die Agenda 2010 oder andere Politik- und Reformentwürfe aus der aktuellen Debatte handelt.

Ludwig Erhard, erfolgreicher Begründer der "Sozialen Marktwirtschaft" würde heute gefragt zu Neoliberalismus sagen: "Voraussetzung für jede Marktwirtschaft ist ein freier und fairer Wettbewerb. Der Staat muss Sorge tragen, dass sich jeder Akteur an die Spielregeln hält." Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) setzt sich mit ihrem Engagement für marktwirtschaftliche Reformen in Deutschland nachdrücklich für diese Art "neoliberaler" Reformpolitik ein.

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"Jedoch soll die Staatstätigkeit auf ein Mindestmaß reduziert bleiben" - das mag zwar nicht direkt und unmittelbar zu einer 'Destruktion' des Gesellschaftlichen führen, sehr wohl aber zu einem Ungleichgewicht zu Gunsten der Wirtschaftsakteure und auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Wenn eine solche Klientelpolitik zum generellen Leitfaden der "politischen Klasse" wird, dann ist die Gesellschaft in ihrer Funktionsfähigkeit und ihrem Frieden sehr wohl in Gefahr.

Dann geht man z.B. in bekannter Manier dazu über, seine politischen Gegener als "emotional" und "ideologisch" zu titulieren - und das obwohl ein Ptak in seinem Buch alle fatalen Folgen neoliberaler Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik schildert und ein Blick nach Lateinamerika ausreichen sollte, um das klare Scheitern neoliberaler Politik zu erkennen.
Der Ideologievorwurf den sich "Linke", die eine soziale Gesellschaft fordern, stets anhören müssen, ist absurd. Ideologisch sind alle. Ob nun Anhänger des Humanismus oder des Neoliberalismus, des Hedonismus, Atheismus oder desKatholizismus. Das ist auch gar kein Problem, wenn man einfach ganz klar benennt, welches Menschenbild und welche Gesellschaftsideale hinter jeder einzelnen  Ideologie stecken.

Die Initiative "neue soziale Marktwirtschaft" ist sauer. Warum? Weil sich im gesellschaftlichen Diskurs ein Begriff herausgebildet hat, mit dessen Hilfe Lobbyorganisationen wie sie selbst eine ist, benennen kann.
Daß der Neoliberalismus zu einem "Kampfbegriff" geworden ist, können wir folglich nur begrüßen! Wie sonst sollte man Kritik üben an jener Ideologie, welche den Menschen der Wirtschaft unterordnet, die Freiheit dem Wettbewerb, das Gehalt der Angestellten der Rendite der Aktionäre und die Interessen der Bevölkerungsmehrheit einer kleinen Elite?

Wir freuen uns, daß nun sogar eine der neoliberalsten Institutionen des Landes, die "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" selber zugibt, daß sie neoliberal ist. Das 'Beim-Namen-Nennen' ist ein erster Schritt zur Klarstellung der ideologischen Position. Noch einmal zum mitschreiben: Die INSM - ebenso wie ihre Mitstreiter (Bertelsmannstiftung, Bertelsmann AG, Familie Mohn, FDP, CDU und viele andere mehr) - sie alle sind AnhängerInnen einer Ideologie: des Neoliberalismus.

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