McKinsey - Prostitution für eine schlechtere Welt
Wir waschen mal schnell unsere Weste weiß. Anmerkungen zu einem Interview auf Spiegel Online
Um Nachwuchs muss sich McKinsey keine Sorgen machen, 10.000 Bewerbungen erhält die Beraterfirma jedes Jahr. Doch durch verschulte Studiengänge seien die Absolventen weniger flexibel, klagt Recruitingchef Thomas Fritz. Im Interview erklärt er, warum er neue Leute immer öfter im Ausland sucht."
KarriereSPIEGEL: Herr Fritz, bei McKinsey wird mittlerweile fast jede zweite Stelle an einen Bewerber vergeben, der einen Abschluss von einer Universität im Ausland hat. Sind Ihnen die deutschen Absolventen nicht mehr gut genug?
Fritz: Nein, nicht unsere Ansprüche haben sich verändert, sondern die der Bewerber. Durch die Bologna-Reform sind die Studenten deutlich mobiler geworden. Viele Studenten absolvieren nicht mehr nur ein Semester im Ausland, sondern gleich das komplette Studium. Einzelne Bewerber wollen sogar unseren Analytik-Test auf Englisch machen, weil sie seit Jahren keinen Test mehr auf Deutsch geschrieben haben.
KarriereSPIEGEL: Berater sprechen ja ohnehin Denglisch. Das müsste Sie also freuen.
Fritz: Internationalisierung kommt uns entgegen, ja. Aber unsere Klienten wissen es schon sehr zu schätzen, wenn die Kollegen in gutem Deutsch mit ihnen sprechen. Andererseits ist das Studium jetzt sehr viel verschulter, und wir haben den Eindruck, dass die Studenten weniger flexibel sind als früher. Seit der Umstellung auf Bachelor und Master haben sie mehr Optionen, aber weniger Freiheit.
Ohne Begründung oder Zweifel werden die Internationalisierung und die Tendenz, daß deutsche Studierende angeblich zunehmend nur noch englisch sprechen als positive Entwicklungen dargestellt.
Die geäußerte Kritik an der Verschulung der Bachelorstudiengänge kommt doch reichlich oberflächlich daher. "Mehr Optionen aber weniger Freiheit" widerspricht sich zudem offensichtlich.
KarriereSPIEGEL: Sie fördern diese Entwicklung doch noch: Zusammen mit Allianz, Bertelsmann und Henkel haben Sie ein Gap-Year-Programm ins Leben gerufen und vermitteln Bachelor-Absolventen bis zu drei Praktika auf einmal. Jetzt können Studenten noch nicht mal mehr ihre Auszeit frei gestalten.
Fritz: Das Programm ist ein großer Erfolg, die Nachfrage ist riesig. Und wir haben es bewusst so gestaltet, dass die Studenten zwei oder drei Praktika machen und dann noch drei Monate Zeit haben, um zu reisen und die Welt zu entdecken.
KarriereSPIEGEL: Das ist ja großzügig von Ihnen.
Herr Fritz redet sich so heraus, daß das Programm ein großer Erfolg sei.
Dies verwundert nicht. Schließlich sind viele junge Menschen voller Angst, nicht aufsteigen zu können. Oder sie sind durch die Folgen effektiver Lobbyarbeit und der Gehirnwäsche einer pathologischen Leistungsgesellschaft bereits soweit, daß sie ohne Rücksicht auf Verluste ihre Leben für Karriere und Arbeitgeber opfern wollen. Das macht das Programm aber nicht besser. Drei Praktika parallel sind eine fast kriminelle Überforderung von Menschen. Die läppischen drei Monate Auszeit für das "Reisen" und um "die Welt zu entdecken" (das ist wohl im Sinne der Verwertungslogik als Softskilltrainig gedacht) erscheinen da wie ein Hohn. Eine Schwachstelle, welche von der Journalistin sehr wach bemerkt wird.
Fritz: Wer lieber mit dem Rucksack zwölf Monate durch die Welt reisen will, kann das gern machen.
KarriereSPIEGEL: Aber würden Sie denjenigen auch einstellen?
Fritz: Natürlich - wenn die restlichen Leistungen stimmen. Wer mit dem Rucksack ein Jahr durch Asien reist, beweist ja auch besonderes Engagement und Selbstvertrauen. Zudem ist Work-Life-Balance heutzutage mehr als nur ein Schlagwort. Schon jetzt zählen zwei Drittel unsere Berater zur Generation Y, also zu den Jahrgängen ab 1980. Wir merken deutlich, dass die Ansprüche gestiegen sind.
Witzig ist, wie Fritz das lächerliche Wort "Work-Life-Balance" bemüht, das "mehr als nur ein Schlagwort sei" - und es dann gar nicht mit einem Inhalt füllen kann. Was hat das Durchschnittsalter der McKinsey Mitarbeiter denn mit dem Begriff zu tun? Nichts. Und daß man die gestiegenen Ansprüche an Freizeit wahrnimmt, heißt ja noch lange nicht, daß McKinsey darauf reagiert. Er nennt an dieser Stelle folgliech auch kein Beispiel. Seine oberflächlichen Worte bleiben Hülsen.
KarriereSPIEGEL: Tatsächlich? Umfragen an Elitehochschulen ergeben immer wieder, dass Möchtegern-Berater vor allem zwei Dinge wollen: viel arbeiten und viel Geld verdienen. Das sind doch die unkompliziertesten Mitarbeiter aller Zeiten.
Fritz: Diese Absolventen sind bei McKinsey nicht überrepräsentiert. Ich würde nur zwei von zehn Neueinsteigern zu den klassisch Karriereorientierten zählen. Diesen Absolvententyp gab es schon immer, und es ist ja auch völlig legitim, einen hohen Anspruch an die eigene Karriere zu stellen. Die typischen Vertreter der Generation Y sind nicht weniger ehrgeizig, sie legen aber Wert darauf, das Richtige zu tun und bei einem sinnstiftenden Unternehmen zu arbeiten.
KarriereSPIEGEL: Und in diese Kategorie würden Sie McKinsey einordnen?
Fritz: McKinsey beschäftigt sich mit wichtigen Umweltthemen, der Wasserknappheit, dem Klimawandel, der Ressourcenschonung. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos wurde gerade eine Studie von McKinsey zum Klimawandel präsentiert. Das sind relevante Themen, mit denen man etwas bewegen kann. Grundsätzlich geht es uns immer darum, dass unsere Klienten erfolgreicher werden und Unternehmen Dinge besser machen. Ich würde sagen: Ja, das verstehen wir unter sinnstiftend.
Der McKinsey-Fritz beugt die Wahrheit, daß sich die Balken biegen. Natürlich sind es antikapitalistische Straßenkämpfer, Hörsaalbesetzer und Leistungsverweigerer, die beim Beratungsunternehmen McKinsey eingestellt werden. Sehr realistisch. Die Aussage daß Leute, die "das Richtige tun" wollen bei McKinsey arbeiten, zeigt entweder, wie dumm diese Menschen sind, oder wie unwahr die Aussage ist.
Die Aussagen, die vom McKinsey-Vertreter folgen, sind eine glatte Unverschämtheit. McKinsey als Unternehmen, das sich altruistisch für eine bessere Welt aufopfert. Lächerlicher und unglaubwürdiger geht es nicht. Wenn die "Klienten" in ihren obligatorischen "Corporate Social Responsibility Reports" zwei, drei Beispiele für die pseudo-ökologische Selbstvermarktung reinkritzeln und ihnen McKinsey dabei hilft, dann macht das die Geldbeutel der Berater sicherlich dicker, die Welt aber wohl kaum besser. Eine Studie von McKinsey zum Thema Klimawandel kann man auch in der Pfeife rauchen. Das können unabhängige Wissenschaftler an Universitäten eh besser.
McKinsey kann eines super: Geld machen aus heißer Luft. Das Unternehmen prostituiert sich für jedes noch so schlimme Weltvernichtungsunternehmen ohne mit der Wimper zu zucken. McKinsey - verantwortlich für Massenentlassungen und dunkle Geschäfte der Großunternehmen dieser Welt. Die PR-Abteilung hat aber anscheinend nun angeordnet, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Applaus, McKinsey, gut gemacht.
McKinsey schreibt auf seiner Internetseite: "28 der 30 DAX-Konzerne zählen aktuell zu den Klienten."1 Schauen wir doch einfach mal, was das für ehrenvolle DAX-Unternehmen sind, für deren Erfolg sich McKinsey einsetzt:
Unternehmen | Branche | "Sinnstiftende" Tätigkeiten |
Bayer | Pharmaindustrie |
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Allianz | Versicherungs- Spekulationswirtschaft |
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Daimler | Automobilindustrie |
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Deutsche Bank | Finanzindustrie |
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e.on | Kohle- und Atomwirtschaft |
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RWE | Kohle- und Atomwirtschaft |
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Addidas | Modewirtschaft |
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ThyssenKrupp | Stahl- und Waffenindustrie |
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Commerzbank | Finanzindustrie |
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1 https://www.mckinsey.de/automobilindustrie-gewinnsteigerung-um-50-prozent-bis-2020 (Zugriff: 18.03.2014)