Wo bleibt der Jubel über das Scheitern von CETA?
Die Überschriften vieler deutschsprachiger Medien im Angesicht des möglichen Scheiterns des neoliberalen Abkommens CETA
UPDATE: Der neoliberale "Mainstream" hat sich doch wieder einmal durchgesetzt - CETA scheint doch zu kommen...
Als im Spätsommer dieses Jahres immer klarer wurde, daß das Freihandelsabkommen zur Angleichung von Standards zwischen den USA und der EU TTIP vermutlich scheitern wird, wurde von Seiten der deutschen Bundesregierung sowie der EU-kommission und allen Wirtschaftslobbyisten Europas noch lauter für das Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada - CETA - getrommelt.
Das Abkommen geht zwar nicht so weit wie TTIP was die Angleichung von Standards angeht; CETA beinhaltet aber auch wieder Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen Staaten aufgrund demokratischer Entscheidungen oder staatlicher Regulierung verklagen können.
Am 13. Oktober gab das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für eine vorläufige Unterschrift des Vertrags. Nachdem in Deutschland auch die Regierungspartei SPD in dieser Frage und entgegen allen Bemühungen von Nichtregierungsorganisationen gegen das Abkommen umgefallen war, gab es scheinbar keine Chance mehr, da sich der Widerstand der Zivilgesellschaft
- bis die Wallonische Regierung im Süden Belgiens ihre Zentralregierung dazu zwang, gegen das Abkommen zu stimmen. Dieser große Dienst an der europäischen Gesellschaft wurde in Deutschland ganz massiv von den meisten Print-Medien angegangen und scharf kritisiert. Den meisten Bürgern müßte die Kinnlade heruntergefallen sein.
Anhand der im Folgenden dargestellten und kommentierten Überschriften (erschienen zwischen dem 20. Und 25. Oktober 2016), soll aufgezeigt werden, wie irrational und unbegründet panisch viele deutsche Journalisten auf den möglichen Stop von CETA reagieren, wie sehr sie die Interessen der Bevölkerungsmehrheit mißachten und wie arrogant und überheblich sie sind (ähnliches war auch schon im Oktober 2015 mit der Berichterstattung über TTIP vorgefallen):
Überschrift |
Anmerkung Neoliberalyse.de |
"Anmaßend und egoistisch" Frankfurter Allgemeine Zeitung |
Nicht egoistisch, sondern ein Dienst an der Gemeinschaft! |
"Der Möchtegern-Asterix" Spiegel Online |
Wenn jemand nicht eurer Meinung ist, wird er diffamiert. Hervorragender Journalismus von Bild-Spiegel-Online. |
"Letzte Chance für den Freihandel" |
Keine Angst: Freihandel wird es weiter geben ;) |
"Ein Sieg für die Anti-Europäer" Tagesschau.de |
Das Thema hat nichts mit Europa an sich zu tun. |
"Wer gegen Ceta ist, ist ziemlich kurzsichtig" Sueddeutsche.de |
Noch mehr unfairen Freihandel braucht kein Mensch. Und schon gar keines mit Schiedsgerichten für Großunternehmen. |
"Ceta am Abgrund? Belgische Region lähmt EU-Handelspolitik" DPA |
Hoffentlich fällt Ceta rein! Wäre eine große Erleichterung für die Bürger Europas |
"Europa muss die widerspenstige Wallonie zähmen" Berliner Zeitung |
Nein, Europa muß mal demokratisch werden und die Wirtschaftslobbyisten aus der Kommission schmeißen! |
"Unwürdiges Spiel um Ceta" Stuttgarter Zeitung |
Das "arme" Ceta, mir kommen die Tränen. Es ist kein Spiel, sondern die Bürger Europas setzen sich gerade gegen Lobbyisten und korrupte Politker durch! |
"Europa kämpft für Freihandel mit Kanada" Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung |
Keine Angst FAZ, Freihandel wird es weiterhin geben. Hier geht es um private Schiedsgerichte und die Angleichung von Standards. |
"Staaten oder EU-Kommission? Wer ist Schuld am Ceta-Debakel?" Hamburger Abendblatt Online / DerWesten |
Wieso Schuld? Läuft doch super! |
"Die Blockade von Ceta ist undemokratisch" Der Tagesspiegel |
Wieso? Wenn "die da unten" über das bestimmten, was "die da oben" so treiben. Das ist echte Demokratie! |
"Widerstand gegen Ceta: In Geiselhaft der Wallonen" Spiegel Online |
Wohl eher Befreiung als Geiselhaft! |
"Europas Versagen" Tagesschau.de |
Versagen? Ich würde eher sagen, die Wirtschaftslobbyisten haben versagt. |
"Dreist" Badische Neuste Nachrichten |
Wieso dreist? Das gute Recht der Wallonen und ein großer Dienst an der Gemeinschaft. |
"Verheerendes Signal" Handelsblatt |
Super Signal für die Zukunft: Bitte derartige Giftpapiere in den Schubladen belassen! |
"Es geht um Geld für die Wallonie" Deutschlandfunk Online |
Die geizigen und gierigen Wallonier können den Hals einfach nicht voll kriegen. Ist euch schon mal in den Sinn gekommen, daß es vielleicht inhaltliche Gründe gibt? |
"Warum wir Freihandel brauchen" Südkurier |
Wir haben doch schon viel zu viel Freihandel! Noch mehr unnötige Containerschiffe verpesten nur Luft, Meere und Klima. |
"Wer hat Schuld am Ceta-Chaos?" Berliner Morgenpost |
Wieso Chaos? Demokratie ist halt nicht immer so schlank aufgestellt wie in Rußland oder China. |
"Die Wallonen bremsen Europa" Südkurier |
Wieso bremsen? Sie bringen uns voran, indem sie CETA verhindern. |
"EU-Demokratie funktioniert nicht" Magdeburger Volksstimme |
Mist, weil mir das Ergebnis nicht gefällt, stelle ich das System in Frage. |
"Belgische Region lähmt europäische Handelspolitik" Die Glocke |
Politik, die schlecht ist für die Bevölkerungsmehrheit gehört nicht nur gelähmt, sondern dauerhaft verhindert. |
"Die Industrie braucht CETA" medianet |
Das ist Eure Meinung. Bisher konnte die Industrie doch ohnehin schon tun, was sie will! Ceta hätte ihnen mit noch mehr privaten Schiedsgerichten noch mehr Klagemöglichkeiten gegen demokratische Entscheidungen ermöglicht. |
"EU muss die Wallonie bändigen" Frankfurter Rundschau Online |
Wieso? Die EU muß mal gebändigt werden, daß sie diesen Wirtschaftslobbyismus, getarnt als demokratisches Gebahren in Zukunft sein lassen! |
"Wallonen bremsen die EU aus" Hamburger Morgenpost am Sonntag |
Ja, sie bremsen die EU dabei aus, etwas gegen die eigene Bevölkerung zu tun. Bravo Wallonen! |
"Blockierer aus der Wallonie" Hessische Allgemeine |
Sie blockieren das Falsche und tun damit das Richtige. So einfach ist das. |
"Noch Hoffnung für Ceta" Hessische Allgemeine |
Ach, wenn CETA nicht kommt, kommt TTIP, wenn TTIP nicht kommt, sind doch bereits. |
"Freihandel-Pleite abwenden" NZZ am Sonntag (Schweiz) |
Wieso Pleite? Der Freihandel geht weiter und die Unternehmen dürfen sogar ohne CETA gegen Staaten vor privaten Schiedsgerichten klagen. Dann müßte doch aus Eurer Sicht alles Paletti sein. |
Globalization Needs Rules" Jewish Voice from Germany |
Klar braucht Globalisierung Regeln. Aber bitte faire Regeln und kein CETA und kein TTIP. |
"Ceta-Gipfel in Gefahr" Mittelbayerische Zeitung |
Gefahr! Wenn der Gipfel nicht kommt, ist der Untergang ganz nah. |
"Lasst Brüssel entscheiden" Neue Presse |
Klar ganz eurokratisch. Laßt einfach die EU-Lobby-Kommission in Zukunft eigenmächtig entscheiden. Das erhöht sicherlich die Akzeptanz für die EU noch einmal ganz enorm! |
"Anmaßung" Kölnische Rundschau |
Selber Anmaßung! |
"Wegelagerei?" Märkische Allgemeine |
Genau, diese gierigen Wallonen wollen nur an unser Geld! |
"Ceta geht nicht weit genug" |
Für die Textilwirtschaft, die ihre Rendite mit dem Blut Bangladescher Näherinnen erwirtschaftet, geht CETA bestimmt nicht weit genug. |
"Sorge um Lebensmittel unbegründet" Die Presse |
Mit CETA bleiben Standards zwar bestehen. Nur dummerweise wird Lebensmittelkonzernen das Klagen gegen demokratische Entscheidungen vor privaten Schiedsgerichten erleichtert. |
"Beten hilft" Schwäbische Zeitung |
Wirklich? |
"Das geht an die Substanz unserer Wirtschaft" Handelsblatt |
Und bisher lief es ja nicht so gut mit der deutschen Exportwirtschaft? |
Neoliberalyse.de gratuliert den Wallonen hiermit ganz offiziell zu diesem urdemokratischen Geniestreich. Die Region hat sich soeben als nächstes Urlaubsziel empfohlen.
Leseempfehlung:
Analyse der Pro-TTIP-Werbeanzeige vom
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vom 10. Oktober 2015.
Auch erschienen auf Telepolis.de: